meisterlich gemeistert

Rennbericht Podersdorf 2017


Wenn du im Oktober mit dem Training beginnst, dich monatelang durch die kalte Jahreszeit "motivierst", um 06.30 Uhr oder 21.30 Uhr in Skopje in der Schwimmhalle stehst, die 35km Läufe im Grundlagenbereich mit 04:50min/km Pace läufst - dann freust du dich endlich auf die Saison. Plötzlich, gänzlich unerwartet der Hammer im April, du kannst 10 Wochen wegen unerträglicher Schmerzen gar nicht, drei Wochen vor dem Ironman Kärnten ein bisschen und sechs Wochen vor den Österreichischen Langdistanz Meisterschaft (3,8km swim, 180km bike und 42km run) in Podersdorf endlich wieder normal Laufen. Die Motivation über Wochen im Keller, der Körper sehr oft unglaublich erschöpft und schmerzend "hör auf plärrend"!! Hundertmal die Frage "warum machst du das? warum tust du dir das an", des Öfteren der Gedanke "I mog nimma, ich hör auf, scheiss drauf". Doch die innere Freude an diesem Sport, die Grenze zwischen Sturheit und Willensstärke - Eigenschaften eines Skorpions mit Aszendenten Skorpion - der unglaubliche Wille zum Sieg, der ständige Fokus auf den Gewinn der Österreichischen Meisterschaft in der AK Methusalem 55 und der Gedanke, sich nichts vorwerfen zu müssen, treiben mich nach vorne, machen Kräfte frei, die ich vorher so von mir nicht gekannt habe. Nicht jammern, Pauli reloaded….

Dementsprechend nervös bin ich am Vorabend und dann noch diese Verhältnisse am Tag des Rennens: Starker Wind, hohe Wellen landeinwärts, 15 Grad draußen, 28 Grad unter der Bettdecke und eine Reise von 226km vor mir. Positiv denken, wenigstens regnet es nicht - man kann sich alles schön reden.

Am Schwimmstart sind die Richtungsbojen rechts. Dreihundert Meter später, nehme ich sie durch die verrutschte Schwimmbrille, die hohen Wellen haben mich "abgewatschent" (für unsere deutschen Freunde "geohrfeigt"), weit links von mir wahr. Den ersten Kilometer verschwimme ich mich auf diese Weise regelmäßig, die Drift ist unberechenbar. Beim Reinschwimmen hör ich die Beach Boys Surfin Usa singen, ich reite wie ein Delphin auf den Wellen Richtung Leuchtturm. Die zweite Runde im See??? 300 Meter vor mir, knapp 1km vor dem Ausstieg wandern ca. 160 Israeliten durch das Rote Meer! Oder ist das die Invasion Podersdorfs durch die Armee vom Planeten der watschelnden gemeinen Schwarzpinguine (pedes nero pinguinus simplicus)? Da haben wohl die meisten Teilnehmer das Race Briefing falsch interpretiert – Schwimmen im Flachwasser heißt nicht Nordic Walking!!!!! Ich bin im letzten Drittel. Das ist nicht normal, trotzdem bin ich dann mit 01:04:24 mit mir selbst zufrieden, aber sonst ganz schön grantig.

Als ich dann noch die Info bekomme, dass ich in meiner AK 3 Minuten hinter dem Führenden liege, packe ich das Fleischermesser aus, stecke es mir zwischen die Zähne, blase mehrmals Wasserdampf durch meine Nüstern und schmeiße mich auf meine perfekt eingestellte Zeitfahrmaschine. Ab diesem Zeitpunkt keine Gnade, ich liege am Aufleger, egal ob bei Rückenwind mit 40km/h Richtung Frauenkirchen oder gegen die Mauer fahrend Richtung Podersdorf mit 31km/h. Den Kopf tief unten, mein Trinkhalm seitlich beim Helm, ich schaue aus wie ein funkgesteuertes Michelin Mandl. Die einzigen die mich überholen ist der unglaubliche "Schurl" Georg Swoboda mit seiner Verfolgermeute auf der vorletzten Runde. Mit 207 Watt Durchschnittleistung und 05:02:43 brenne ich die 35ste Zeit des gesamten Feldes in die Pannonische Platte und steige doch leicht erschöpft aber nicht "overpaced" vom Rad.

Zu diesem Zeitpunkt weiß ich, dass ich ca. 37 Minuten Vorsprung in meiner AK habe und denke mir, wenn ich mich jetzt nicht komplett "deppat" anstelle, habe ich wirklich den Titel. Dann beginnen aber trotzdem 42,2km voller Anspannung, innerer Kampf und Emotionen. Ich muss fokussiert sein, es ist keine "gmahte Wiesen". Durchziehen, konzentriert bleiben ist die Devise, denn passieren kann immer was. Es ist ja kein Kindergeburtstag, sondern ein Ironman und die anderen sind keine Teletubbies, sondern ausgezeichnete Athleten. Mein Mentalcoach Gerhard - wie immer motivierend für mich da, wenn es mir schlecht geht, langsamer werde oder zu lange bei der Labe gehen will - meine Martina, Melly und Tom versorgen mich mit Getränken und Gels, die Freunde plärren sich die Seele aus dem Leib und klatschen mich ab, pushen mich nach vorne, geben mir die Kraft die ich brauche, um auf Zug zu bleiben. Als ich am Schluss wieder am Heart Break Hill vorbeikomme - zwei Höhenmeter auf 200 Meter, der einzige Riesenberg auf der Laufstrecke bei Labe 2,5km muahahaha – läuft Melly neben mir mit einer Wasserflasche mit. "Melly komm her, ich muss Dir was sagen". Mit großen Augen blickt sie mich fragend an - und flutsch, flutsch habe ich ihr ein bisschen Wasser ins Gesicht gespritzt. "Papaaaaaa wenn du für den Blödsinn Zeit hast, bewege Deinen Arsch und bleibe jetzt ja nicht stehen". Innerlich zerreißt es mich vor Lachen – ich weiß ich werde gewinnen, denn soeben habe ich den Zweitplatzierten überrundet.

Die letzten paar hundert Meter sind Emotionen pur, Entschädigung für eine Saison, die mir heuer soooo viel Kraft gekostet hat. Der Riesenstein der mir vom Herzen fällt, die Anspannung die sich schlagartig löst, der Stolz und die Freude meiner Freunde und Familie, sie jubeln, schreien, umarmen mich, yessssss I did it ich habe es geschafft!!! Ich habe es mir so gewünscht und so hart dafür trainiert. Den Marathon in 03:54:52 naja, Gesamtzeit aber 10:07:59, die mentale Kraft mit sub 10 zu finishen hat mir aber einfach gefehlt - wurscht.

Die 10:08:01 sind die zwei Sekunden die ich nach der Ziellinie brauche, um mich umzudrehen, mich vor Dankbarkeit bei meinem Team zu verbeugen und die Hände in die Höhe zu reißen. Siiiiiieg der AK M55 und damit Österreichischer Meister, 01:05:59 vor dem Zweiten…. 

Viele meiner Ziele habe ich heuer nicht erreicht, aber jetzt bin trotzdem sehr ich zufrieden, glücklich und ein klein wenig stolz. Ich habe seit Oktober 2016 685 Stunden trainiert, ca. 530.000 kcal verbrannt, bin fast 300 km geschwommen, 9560 km Rad gefahren und 2350 km gelaufen. Jetzt ich bin gerade dabei die Off Season zu genießen, ausgiebig zu regenerieren, meinem Körper und vor allem meiner biologischen Festplatte namens Hirn die notwendige Ruhe zu geben und runterzukommen. Auf gut Deutsch ich gehe in den "Stand by Modus".

Vielen Dank an dieser Stelle an meine Familie, Freunde, Arbeitskollegen und Sponsoren. Ich werde nach dem Training mit einem Lächeln von meiner Martina begrüßt, "was willst du Essen, wie war es, alles okay"? meine Tochter Melly mit ihrem Freund Tom finishen einen Tag später ihren ersten Triathlon in Podo und machen mich unglaublich stolz, weil ich ihr Vorbild bin; meine Vorgesetzten geben mir die notwendige Freiheit und auch das Vertrauen, ohne schlechtem Gewissen zu trainieren; meine Freunde haben Verständnis, wenn ich Treffen absage und meine Sponsoren unterstützen mich großzügig. Ihr alle schafft mir die notwendigen Rahmenbedingungen, ihr ertragt meine Spinnereien mit unendlicher Geduld und so viel Verständnis, ihr motiviert mich, ihr seid stolz auf mich und ihr nehmt mich so wie ich bin - ohne Wenn und Aber - sodass ich nur eines tun brauche

"Einihocken" bis zum Umfallen, wenn es wieder heißt "Scheiß dich net an, die Saison 2018 kann kommen"

Euer Paul

 
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